Die Arbeitszeiterfassung Pflicht besteht de jure bereits.
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Zeiterfassungspflicht: Proaktiv handeln & gerichtliche Entscheidungen jetzt schon abbilden

Im Mai 2019 wurde vom Europäischen Gerichtshof beschlossen, dass eine Zeiterfassungspflicht für Unternehmen eingeführt wird. Der EuGH definierte, dass dies systematisch, objektiv und zugänglich erfolgen muss. Im September 2022 stützte das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung, indem es die Zeiterfassungspflicht durch ein eigenes Urteil aussprach. Wer jetzt schon ein Zeiterfassungssystem einführt bzw. bereits eingeführt hat, ist auf der sicheren Seite.

Eine Frage, die sich die meisten Arbeitgebenden und Beschäftigten stellen:

Wann wird die Arbeitszeiterfassung zur Pflicht?

Die Pflicht besteht schon seit Mai 2019, als der EuGH entschied, dass es die Zeiterfassungspflicht gibt – die Umsetzung, wie dies zu erfolgen hat, ist allerdings den EU-Mitgliedsstaaten überlassen. Deshalb warten sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte auf kommende Gesetzesänderungen. Erst dann kann sicher gesagt werden, auf welche Weise die Pflicht einzuhalten ist.

Arbeitsgerichte stützen ihre Entscheidungen bereits auf die vom EuGH beschlossenen Zeiterfassungspflicht. Das Arbeitsgericht Emden entschied im Februar 2020: Unternehmen haben sich schon an die verpflichtende Zeiterfassung zu halten. Das wegweisende Urteil macht deutlich, dass Arbeitgebende sich bereits jetzt um eine systematische Aufzeichnung kümmern sollten. Denn die Entscheidung des Gerichts weist darauf hin, dass eine richtig dokumentierte Übersicht über Stunden im Ernstfall ausschlaggebend sein könnte.

Das Bundesarbeitsgericht urteilte im September 2022 ebenfalls pro Zeiterfassungspflicht: Hier stützt sich das Urteil auf die EuGH-Beschlüsse, indem diese auf das deutsche Arbeitsschutzgesetz angewandt werden. Geleistete Arbeitszeiten müssen laut der Entscheidung durch ein geeignetes System erfasst werden. Eine genaue gesetzliche Definition, wie dies erfolgen muss, fehlt jedoch weiterhin.

Die Zeiterfassungspflicht kann auch mit Software am Desktop umgesetzt werden.Die Zeiterfassungspflicht kann besonders einfach mithilfe von Softwarelösungen umgesetzt werden; Bild © Pexels.com

 

Gibt es eine Zeiterfassungspflicht für geringfügig Beschäftigte?

Für Oktober 2022 steht die Anhebung der Verdienstschwelle für Minijobber*innen auf der Agenda. Damit einhergehend hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auch die verpflichtende Zeiterfassung - insbesondere für Branchen mit geringfügig Beschäftigten - in den Gesetzesentwurf eingebaut. Eine Neuerung ist, dass bei der Ausführung zum ersten Mal von einer digitalen und sofortigen Arbeitszeiterfassung die Rede ist. Kritik kommt etwa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe, welcher den Einsatz privater mobiler Endgeräte als datenschutzkritisch einstuft. Diese Kritik ist berechtigt; allerdings gibt es bereits Lösungen für die verpflichtende, digitale Arbeitszeiterfassung, welche private Mobiltelefone der Beschäftigten nutzen. Hier ist Sorgfalt bei der Auswahl der Softwarehäuser gefragt - dann ist auch eine genaue Erfassung auf dem privaten Smartphone möglich. Ein klarer Vorteil der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist die Verminderung von Manipulationen, die bei der Abrechnung des Mindestlohns zustande kommen können.

Entscheidungen bereits angelehnt an Arbeitszeiterfassung-Pflicht

Bisher waren Unternehmen von folgendem Szenario ausgegangen: Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung legte die verpflichtende Stundenerfassung fest, eine klare Vorgabe zur Umsetzung gibt es jedoch nicht. Allerdings ist die Entscheidung des EuGH für Gerichte führend – deshalb wird sich in Urteilsfindungen bereits darauf bezogen.

 

Der Fall des Arbeitsgerichts Emden zur Zeiterfassungspflicht

Das Arbeitsgericht Emden entschied zugunsten eines Arbeitnehmenden. Dieser hatte mithilfe von eigenen Stundenzetteln seine Arbeitsstunden dokumentiert. Mit der Dokumentation machte er fest, dass Stunden nicht vom Arbeitgebenden ausgezahlt wurden. Der Betrieb versuchte dies mithilfe eines Bautagebuchs zu widerlegen. Dieses Bautagebuch war dem Arbeitsgericht jedoch nicht objektiv, verlässlich und zugänglich genug und wurde daher als unzureichender Beweis eingestuft. So gab das Gericht dem Mitarbeitenden recht und stützte diese Entscheidung auf die verpflichtende Zeiterfassung für Unternehmen. Sie muss dort also schon heute stattfinden, auch wenn die europäischen Mitgliedsstaaten die Gesetzesentwürfe noch nicht überarbeitet haben.

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Ursprünglich handelte der Fall von den Möglichkeiten der Mitbestimmung eines Betriebsrats im Unternehmen und dem Initiativrecht, das im Betriebsverfassungsgesetz geregelt wird. Konkret ging es um die Mitbestimmung in Bezug auf die Einführung eines Zeiterfassungssystems. Verschiedene Instanzen gaben zunächst dem Unternehmen und anschließend dem Betriebsrat Recht. Im letzten Schritt zog das Bundearbeitsgericht einen Schlussstrich und bezog sich dafür nicht auf das ursprünglich diskutierte Initiativrecht des Betriebsrats, da es dafür keine Grundlage gäbe: „Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist“. Da das EuGH-Urteil zur Zeiterfassungspflicht jedoch bereits die Grundlagen für die Arbeitszeiterfassung festgelegt hat, „kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen“ – die Arbeitszeiterfassung ist schließlich Pflicht und muss im Unternehmen Anwendung finden.

 

Warum haben EuGH-Richter*innen für die verpflichtende Zeiterfassung gestimmt?

Für das Zeiterfassungsurteil war die Arbeitszeitrichtlinie des EU-Parlaments sowie die Charta der Grundrechte Entscheidungsgrundlage. Die Urteilsverkündung bezog sich auf diese Stützpfeiler: Alle europäischen Arbeitnehmer*innen haben laut der Begründung den Anspruch darauf, dass sowohl Höchstarbeitszeiten als auch Ruhezeiten eingehalten werden. Eine systematische Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sei laut der Verkündung der einzige Weg und „[…] ein besonders wirksames Mittel, einfach zu objektiven und verlässlichen Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu gelangen, und erleichtert dadurch sowohl den Arbeitnehmern den Nachweis einer Verkennung ihrer Rechte als auch den zuständigen Behörden und nationalen Gerichten die Kontrolle der tatsächlichen Beachtung dieser Rechte“.

Bisher ist gesetzlich nur die Erfassung von Überstunden verpflichtend und es gilt eine Dokumentationspflicht für die Stunden von Auszubildenden, Aushilfskräften, Jugendlichen, Mini-Jobber*innen. Das EuGH-Urteil und spätestens das Urteil des Bundesarbeitsgerichts weitete die Zeiterfassungspflicht auf alle Gruppen aus. Bis es konkrete Vorgaben dazu in der Gesetzesgrundlage gibt, können Unternehmen schon proaktiv handeln und bereits von einer zuverlässigen Erfassung profitieren.

 

 

So sollte die Zeiterfassungspflicht umgesetzt werden.Der EuGH entschied, dass die Zeiterfassungspflicht systematisch, objektiv und zugänglich zu erfolgen hat. Verschiedene Arbeitsgerichte beziehen sich in der Urteilsfindung auf diese Pflicht; Bild © GFOS mbH

 

Welche Vorteile ergeben sich durch die Zeiterfassungspflicht?

Eine zuverlässige, objektive und zugängliche Stundenerfassung ist insbesondere für den Arbeitsschutz relevant – etwa bei der Einhaltung gesetzlicher Höchstarbeitszeiten oder Ruhezeiten. Des Weiteren ist eine genaue Aufzeichnung aber auch für Lohn- und Vergütungsfragen ausschlaggebend, wie es der Fall in Emden war. Arbeitnehmende und -gebende profitieren also von einer sauberen und systematischen Dokumentation. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Transparenz und Sicherheit
  • Vereinfachte Payroll-Prozesse und Kostenersparnis durch die Reduzierung redundanter Arbeitsschritte
  • Einfache Abbildung von flexiblen Arbeitszeiten durch Gleitzeitkonten
  • Fairness durch Stundenausgleich
  • Planungssicherheit bei der Personaleinsatzplanung durch zuverlässige Datengrundlage
  • Gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit durch mehr Transparenz

 

So können Betriebe die Arbeitszeiten zukünftig erfassen

Da Gesetzgeber noch keine Vorschläge zur „Systematik“ gemacht haben, können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Eine digitale Zeiterfassung ist nicht verpflichtend, kann jedoch den Verwaltungsaufwand deutlich verringern.

  • Stundenzettel: Eine einfache Variante ist eine simple Stundenzettel-Vorlage, mit welcher die Arbeitskräfte ihre Zeiten dokumentieren. Das ist einfach und selbsterklärend. Die Herausforderung entsteht erst bei der Zusammenführung der individuellen Aufzeichnungen, da es dabei zu Verwaltungsaufwand kommt. Für einige Branchen könnte diese Methode spätestens im Oktober 2022 hinfällig sein.
  • Excel-Tabelle: Viele Firmen gehen direkt digital vor - sie nutzen Tabellenprogramme und Vorlagen zur Zeiterfassung für Excel, um die Arbeitszeiterfassung-Pflicht zu erfüllen. Doch auch hier gibt es Schwachstellen bei der anschließenden Zusammenführung und Auswertung der individuellen Zeitkonten. Außerdem dürfen die Tabellen aufgrund von Datenschutzvorgaben nur personenbezogen verarbeitet werden. Ab einer höheren Anzahl an Mitarbeitenden kann das enorme Aufwände verursachen.
  • Digitale Arbeitszeiterfassung für KMU: Viele kleine und mittelständische Unternehmen vertrauen bereits auf einheitliche und systematische digitale Lösungen. Diese sind beispielsweise in der Cloud gehostet und machen die Speicherung der Daten somit an jedem Ort und zu jeder Zeit möglich. Das macht die digitale Arbeitszeiterfassung attraktiv für sämtliche Branchen. Hier ist besonders die Skalierbarkeit ein Bonus: Wenn die Unternehmen wachsen, kann die eingesetzte Softwarelösung durch die Cloud-Services einfach mitwachsen.
  • Zeiterfassungssystem: Eine systematische Zeiterfassung ist spätestens ab einer bestimmten Betriebsgröße unerlässlich. Denn die verschiedenen Zeitkonten und -modelle lassen sich nur mit großem Verwaltungsaufwand digitalisieren und abbilden. Ein Zeitwirtschaftssystem kann alle wichtigen Informationen automatisch speichern – am Terminal, im Web, mit einer App oder auf eine andere Art. Schnittstellen für die Lohn- und Gehaltsabrechnung oder zum ERP-System sorgen zudem für eine reibungslose Integration in bestehende Softwarelandschaften. Wer weitere Funktionen aus dem Workforce Management benötigt, kann oftmals PEP-Programme zur Personalplanung, zur Personalbedarfsermittlung oder viele weitere Funktionen nutzen. Der Arbeitszeitnachweis und eine umfassende HR-Software gehen dabei Hand in Hand.
     

 

Mit Zeiterfassungssoftware den Verwaltungsaufwand minimieren

Eins ist sicher: Mit einer professionellen Zeiterfassungssoftware können Unternehmen den Verwaltungsaufwand deutlich minimieren. Sämtliche Anforderungen können bereits von den unterschiedlichen Lösungen abgedeckt werden. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Anbindung an weitere Bereiche aus dem Workforce Management, wie Employee Self Services, Personalplanung und mehr erfolgen dadurch deutlich einfacher. Gleichzeitig kommen Betriebe der systematischen, objektiven und zugänglichen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach und befolgen somit die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs.

Haben Sie bereits über die Einführung einer Software nachgedacht, um der Zeiterfassungspflicht nachzukommen? Gerne können Sie direkt einen unverbindlichen Rückruftermin oder eine Software-Demo mit unseren IT-Experten vereinbaren und sich ausführlich zu den unterschiedlichen Lösungen beraten lassen.

 

+++ Die Inhalte dieses Beitrags und insbesondere die rechtlichen Aspekte wurden mit bestem Wissen und Gewissen recherchiert und stellen keine Rechtsberatung dar. Die GFOS mbH kann daher keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen übernehmen. Für konkrete Rechtsfragen konsultieren Sie bitte in jedem Fall einen Rechtsanwalt / eine Rechtsanwältin. +++ 

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Schlagwörter
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