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Das Erfolgsprojekt „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“ – ein Interview mit Johanna Erlbacher

Industrie 4.0 ist der Teilbereich der Digitalen Transformation, der sich mit den Herausforderungen von Digitalisierung, Globalisierung und wachsender Komplexität innerhalb Fertigungsindustrie beschäftigt – hierzu zählen neben großen Firmen und Konzernen ganz dezidiert auch kleine und mittelständische Unternehmen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat sich zum Ziel gesetzt, die Wirtschaftskraft des produzierenden Mittelstandes zu fördern und dafür Fördergeld bereitgestellt, um regionale Kompetenzzentren aufzubauen. Neben der Information und verschiedenen Schulungsangeboten, können interessierte Unternehmen konkrete Anwendungsbeispiele begutachten, technische Innovationen testen und sich begleiten lassen – so zum Beispiel im Kompetenzzentrum Digitales Handwerk.

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Expertenwissen für die Zukunft des Handwerks

Um die Betriebe bestmöglich informieren und unterstützen zu können, gliedert sich das bundesweite Kompetenzzentrum in fünf Schaufenster, die unterschiedliche Schwerpunkte haben. Diese sind:

Johanna Erlbacher ist Projektleiterin des Schaufensters Fertigung und Automatisierungstechnologien, das an der Handwerkskammer für Oberfranken angesiedelt ist, und damit Expertin für vernetzte Systeme, spezielle Softwarelösungen und viele weitere Themen.

Mit welchen Fragen und Herausforderungen treten Unternehmen an Sie heran und wo sehen Sie die größten Hemmschwellen zur Digitalisierung des Handwerks?

Johanna Erlbacher: Das Handwerk ist so vielschichtig, dass auch die Fragen und Herausforderungen, die sich uns stellen, tatsächlich sehr unterschiedlich und breit gefächert sind. Schließlich gehören Bäcker oder Metzger ebenso dazu, wie Feinwerkmechaniker oder Orthopädieschuhmacher, kleine Familienbetriebe wie auch 200 Mann und Frau starke Mittelständler. Daher sind die Anforderungen anders als in der Industrie. Übrigens ein Grund, warum wir lieber von Wirtschaft 4.0 sprechen – dieser Begriff umfasst viel, viel mehr.
Grob können wir die Anfragen in unserem Schaufenster sicher in die Themenkomplexe „Software-Lösungen für den Betriebsablauf“ und neue „Maschinen“ bzw. Systeme, die im Rahmen der Fertigung im Betrieb eingeführt werden, untergliedern. Und die größte Herausforderung ist für das Handwerk tatsächlich die Zeit. Die Bücher sind so voll, dass es schwerfällt, sich den notwendigen Freiraum für Digitalisierungsmaßnahmen zu schaffen. Und da braucht es im ersten Schritt sicher Zeit, um sich grundlegende Gedanken zu machen.

Wo steht das deutsche Handwerk Ihrer Einschätzung nach – noch ganz am Anfang oder schon auf einem guten Weg in Richtung Industrie 4.0?

Johanna Erlbacher: Das Handwerk hat sich längst auf den Weg gemacht, teils schon bevor das Schlagwort Wirtschaft 4.0 gefunden wurde. Innovationen sind im Handwerk tatsächlich vielfach täglich Brot. Allerdings war der Ansatz zu Beginn nicht immer strategisch genug, eher an Einzelfällen und Anwendungen ausgerichtet. Inzwischen aber ist sich im Handwerk der größte Teil bewusst, dass die Digitalisierung vor allem in den Prozessen des Betriebsablaufes umgesetzt werden muss – wie weit der einzelne Betrieb den Weg schon gegangen ist, ist aber individuell.

Ein wichtiger Bestandteil zur Realisierung von Industrie 4.0 ist eine softwarebasierte und ganzheitlich ausgelegte Produktionssteuerung. Welche konkreten Anforderungen muss eine Softwarelösung für kleine und mittelständische Unternehmen erfüllen, damit eine Einführung sowohl wirtschaftlich als auch produktionsoptimierend stattfinden kann?

Johanna Erlbacher: Ein ganz klares Kriterium ist die Anpassungsfähigkeit der Softwarelösung auf die sehr spezifischen Anforderungen des einzelnen Betriebs. Die Lösung muss also groß genug sein, um alle Betriebsabläufe abzubilden, darf gleichzeitig aber nicht überdimensioniert in ihren Möglichkeiten sein. Die Handhabung muss einfach sein, auch die Vorbereitung machbar. Der Handwerker will es praktikabel.
Im Übrigen haben wir im Rahmen unserer Arbeit in den vergangenen drei Jahren einen ganz konkreten Erfolgsindikator ausgemacht: der Mensch, besser die Mitarbeiter. Sie müssen von der Lösung überzeugt sein, sie müssen einen spürbaren Nutzen haben, sie müssen mitmachen können und wollen.

© Kompetenzzentrum Digitales Handwerk

Können Sie uns und unseren Lesern einen kleinen Einblick in ein, zwei Erfolgsgeschichten geben, also Unternehmen, die Sie beraten und begleitet haben?

Johanna Erlbacher: Wir haben auf unserer Webseite sehr viele Erfolgsgeschichten und Praxisbeispiele aus unserem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk aus den unterschiedlichsten Gewerken und von unterschiedlichsten Betrieben. Da lohnt sich der intensive Blick, weil sich sicher viele Handwerker in den Beispielen wiederfinden.
Aus der konkreten Arbeit an unserem Schaufenster haben wir beispielsweise den Fall einer für Oberfranken so typischen kleinen Brauerei. Diese hatte das Problem, dass die ausgegebenen Fässer häufig nicht zurückgebracht wurden – bei einem Fasspreis von 40 bis 50 Euro summiert sich das zu einem riesigen Verlust. Dort haben wir ein auf RFID-Technologie basierendes Warenwirtschaftssystem und eine Kundendatenbank eingeführt.
Ein anderes Umsetzungsprojekt von uns haben wir mit einem mittelständischen Sanitätshaus gemacht, das jetzt additive Fertigung in die Produktionsprozesse integriert hat. Das spart viel Aufwand und die sehr gut ausgebildeten Handwerker können ihre Zeit wieder für die Kunden und die individuellen Anforderungen verwenden, die eine Maschine nicht leisten kann.

Wo sehen Sie aus Ihrer Erfahrung heraus die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren?

Johanna Erlbacher: Neben der schon angesprochenen Zeit wird es für Handwerker in Zukunft darum gehen, immer ein ausgewogenes Maß an digitalem Wandel und Fortschritt zu halten. Die technischen Entwicklungen verlaufen so rasant, dass man kaum aktuell bleiben kann. Einher gehen damit sehr viele Produktlösungen, über die man als einzelner Betrieb kaum den Überblick behalten kann. Es wird also entscheidend sein, schnell herauszufiltern, was sinnvoll und auch wirtschaftlich nützlich oder notwendig ist und was nicht. Dazu wird es weiterhin Unterstützung wie beispielsweise unser KDH geben müssen, denn der einzelne Betrieb – in Oberfranken ist dieser beispielsweise im Durchschnitt drei bis fünf Mitarbeiter groß – wird damit überfordert sein.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und das informative Gespräch. Wir wünschen Ihnen dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk weiterhin viel Erfolg.

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Die Experten im Kompetenzzentrum stehen Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung und beraten Sie zielführend und praxisbezogen.

Auch die IT-Spezialisten der GFOS mbH informieren Sie individuell und begleiten Sie gerne durch die digitale Transformation – kontaktieren Sie uns jetzt.

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